Hey, ich bin Strudel…


Eigentlich heiße ich „Strudels Pine“, aber der Einfachheit halber könnt ihr „Strudel“ zu mir sagen.

Ich bin ein Appaloosa und komme aus dem wunderschönen Stall des Josef Fellner, genannt die Inn-River-Ranch, die sich in Neukirchen/Enknach befindet. Eines muss ich einmal vorweg nehmen: Ohne eingebildet zu sein, aber mit mir ist meinem Züchter Josef wirklich ein tolles Werk gelungen. Jetzt fragt ihr euch sicher, warum er mich dann weitervermittelt hat. Dazu werde ich euch meine Geschichte erzählen:

Bis zwei Monate vor meinem vierten Geburtstag verbrachte ich meine Zeit auf der Inn-River-Ranch. Ich durfte eine gute Schule besuchen und hatte das Glück, Christian Fellner als Lehrer zu haben, der mir vor allem im Westernreiten viel beibrachte. Da er mich ausbildungsmäßig nicht stresste, bemühte ich mich ihm zuliebe sogar auf einigen Turnieren, wo ich mein Können auch gerne zeigte. Zwar machte mir die Arbeit mit Christian Spaß, aber tief in meinem Herzen spürte ich, dass ich zu mehr geboren war.

Mein Gefühl täuschte mich nicht, denn plötzlich trat eine junge Frau in mein Leben, die mich vom Fleck weg kaufte. Ihr denkt jetzt sicher, dass es sich bei ihr um eine großartige Turnierreiterin handelt. Falsch gedacht!!! Sie ist seit einem Motorradunfall vor vier Jahren querschnittgelähmt und daher auf den Rollstuhl angewiesen. Wie könnte es anders sein…? Bei unserer ersten Begegnung war es Liebe auf den ersten Blick. Sie rollte mit ihrem Rolli auf mich zu und anstatt Angst und Misstrauen brachte ich ihr Freundlichkeit und Neugierde entgegen. Sie kam so nett auf mich zu, dass ich vergaß, dass so ein Rollstuhl vielleicht böse und gefährlich hätte sein können. Viele meiner Pferdekollegen hätten ängstlich geschnaubt und sich bemüht, sicherheitshalber die Flucht anzutreten. Da ich aber (durch intensive Menschenbeziehung, täglichen Koppelgang usw.) sehr ausgeglichen bin, kam ich gar nicht auf die Idee, dass mir dieses eigenartige Gefährt mit vier Rädern Schlimmes hätte antun können.

Da ich mit behinderten Menschen keinerlei Erfahrung hatte, musste ich eine Sonderschule besuchen. Am Pferdehof Biburg in Laufen unterrichtete mich mein Sonderschullehrer Andre Stockinger, der mir alles beibrachte, was ich für meine neue Besitzerin Gina wissen musste. Alle haben gedacht, dass ich dafür einige Monate benötigen würde, jedoch hat keiner mit meiner Intelligenz und mit meiner Kooperationsbereitschaft gerechnet. Meine Spezialausbildung war schon nach zwei Monaten abgeschlossen. Natürlich hatte ich auch Glück, dass mir Andre alles sehr gefühlvoll beibrachte, und dass auch meine natürlichen Bedürfnisse, wie das tägliche Austoben auf den wunderschönen Weiden in Biburg, nicht zu kurz kamen.

Trotz allem waren die zwei Monate sehr intensiv und die Arbeit mit Andre war sehr anstrengend. Er zeigte mir, wie ich mich zukünftig niederlegen müsse, damit Gina leichter auf meinen Rücken kommt. Da sie nicht aufstehen und wie alle anderen Reiter aufsteigen kann, war ich sehr bald bereit, dies für sie zu tun. Andre sagt immer, dass man höchstens EIN Pferd unter TAUSENDEN findet, das derart toll mitarbeitet. Aber ich streue ihm die Lorbeeren zurück und sage, dass er von TAUSEND Lehrern gerade DERJENIGE Lehrer war, der mir alles so gut erklären und vermitteln konnte. Bei ihm habe ich alles immer sehr schnell begriffen. Er hat zum Glück MEINE Sprache gesprochen.

Jedenfalls durfte ich meinen vierten Geburtstag schon bei und mit Gina verbringen. Ich stehe jetzt in Niederösterreich in Strasshof am Zuckermantelhof, wo meine natürliche Pferdehaltung fortgesetzt wird. Sogar einen Spielplatz für Pferde gibt es dort. Gina weiß, dass Spielen, Herumtollen und Spaß haben für mich sehr wichtig ist, damit ich ausgeglichen bleibe und mit ihr dann keine dummen Sachen mache. Absichtlich würde ich sowieso nie etwas Gemeines, wie zum Beispiel buckeln, machen, aber ich bin halt doch noch ein Junior... und wenn die Sonne lacht und mein Herz lacht und ich einfach glücklich bin, so könnte es ja trotzdem passieren, dass ich vergesse, mit Gina ganz ruhig und gelassen zu sein. Zum Glück erinnert mich mein und Ginas jetziger Trainer Werner Nikowitz immer wieder daran, dass ich auf meine Partnerin besonders Rücksicht nehmen muss. Werner setzt dort fort, wo Andre mit meinem Training aufgehört hat. Auch er hat mich sehr schnell lieb gewonnen. Aufgrund gegenseitiger Sympathie macht mir das Weiterlernen bei ihm sehr viel Spaß. Wir bemühen uns wirklich alle sehr, dass Gina zumindest bei mir ihr Handicap vergessen kann. Sie hat so viel Freude mit mir und ich weiß, dass seit ich in ihr Leben getreten bin, sie noch viel mehr Lebensfreude empfindet als sie sowieso schon hatte.

Ah ja… eines habe ich noch vergessen… Gina hat auch noch einen ausgebildeten Partnerhund, der zwar zugegebenermaßen auch sehr gescheit ist, den ich aber noch nicht so gut leiden kann. Ein bisschen geht ihre Tierliebe zu weit... und zum Glück muss ich nicht auch noch ihre Katze kennen lernen. Mit ihrem Golden Retriever werde ich schon versuchen, mich anzufreunden, denn wenn ich einmal zu heftig galoppiere und sie das Ende des Seiles, mit dem sie mich zirkelt, verliert, so will sie ihrem Hund beibringen, dass er mich wieder zu ihr zurück bringt. Wahrscheinlich lerne ich da früher, freiwillig und von selber zu ihr zu kommen. Wir werden ja sehen, wer von uns Vierbeinern intelligenter ist, ich oder mein Stiefbruder!

Abschließend will ich euch noch einmal sagen, dass mein Zusammentreffen mit Gina jedenfalls der Beginn einer wundervollen Partnerschaft ist, und ich hoffe, dass wir zukünftig ein noch viel stärkeres Team werden, das miteinander durch dick und dünn geht.

Ich verabschiede mich mit einem glücklichen Wiehern und freundlichen Schnauben und wünsche allen Pferdekollegen und Pferdebesitzern eine ebenso viel versprechende Partnerschaft

 

Euer Strudel